Urlaub, wo früher Züge hielten
Familienprojekt mit historischem Wert: Im alten Bahnhofsgebäude in Fichtental können ab Mitte Juli Feriengäste residieren
Fichtental/Prackenbach. „Da ist eine von 1936…“ In den Fugen des aus schweren Steinen gemauerten Torbogens finden sich allerhand „Kritzeleien“, wie Alex Holzfurtner (24) sie augenzwinkernd nennt. Jeweils Namen mit Jahreszahlen, hunderte. Er und sein Vater Roland Kraus (46) stehen darunter und betrachten sie – stolz, dieses Relikt erhalten zu haben. Mittig, ganz oben ist eine größere freie Fläche. „Da werden wir uns verewigen, für die kommenden Generationen und hoffentlich Jahrhunderte“, sind sie sich einig und grinsen. In einem Familienprojekt und rund zwei Jahren harter Arbeit haben sie das alte Bahnhofsgebäude in Fichtental bei Prackenbach am jetzigen Radweg kernsaniert und zu einer Urlaubsresidenz mit Ferienwohnungen umgebaut. Stets darauf bedacht, den ursprünglichen Charme zu erhalten und so viel „Altes“ wie möglich mit Neuem zu kombinieren. Mitte Juli sollen die ersten Gäste anreisen, darunter Nachkommen der ehemaligen Eigentümer – pünktlich zum heuer 100-jährigen Jubiläum des Bahnhofes.
Erste Bauphase startete 1925
1925 habe damals die Bauphase begonnen, erklärt Roland Kraus, der gemeinsam mit der Tochter der ehemaligen Besitzer, Sabine Kirchner aus Berlin, unzählige historische Dokumente durchgesehen hat. Deren Eltern, das Ehepaar Kirchner, sanierten das Gemäuer in den vergangenen Jahrzehnten zum Wohngebäude, sie interessierten sich sehr für dessen historischen Wert. Das soll auch in Zukunft erhalten bleiben, daher wird die neue Urlaubsresidenz mit altertümlichen Relikten dekoriert werden, wie Alex betont, zum Beispiel sollen die ehemaligen Fensterläden die Innenräume zieren und mit alten Bildern bestückt werden. Ab 1927 fuhren Züge durch Fichtental, zunächst sei die Reichsbahn AG Betreiber gewesen, wie aus den Dokumenten hervorgehe, erinnert sich Roland an die Aufzeichnungen. Vor allem in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges sei die Strecke sehr stark befahren gewesen, Kriegsgerätschaften seien nach Österreich befördert worden. Das habe sogar zu einer Sperrung und Reparaturarbeiten geführt, weil das hohe Gewicht und die Häufigkeit der Transporte die Gleise beschädigt hätten. Später habe die Regentalbahn den Betrieb weitergeführt. „1991 fuhr der letzte Zug hier durch“, weiß er.
Bereits 1980 hätten die Kirchners das Gebäude erworben und in den folgenden rund 20 Jahren Raum für Raum renoviert, um im Jahr 2000 das neue Eigenheim beziehen und den Lebensabend in ihrem Bahnhof Fichtental verbringen zu können. Den Nachkommen und Erben sei es sehr wichtig, dass das Bemühen der Eltern um den historischen Charme auch weiterhin gewürdigt werde. „Und dem wollen wir gerecht werden“, betonen die neuen Eigentümer. Denn zu Sabine Kirchner, die auch der erste Gast im neuen Ferienbahnhof sein wird, habe sich mittlerweile ein sehr gutes freundschaftliches Verhältnis entwickelt. „Wenn wir telefonieren – nie unter zwei Stunden“, lacht Roland.
Mit dem Erwerb des alten Bahnhofes hat sich das Familienleben seit 2023 gewaltig verändert. Nachdem bereits eine Ferienwohnung in Viechtach betrieben wird, habe man Ausschau nach einer weiteren Immobilie gehalten, auch als Altersvorsorge für Alex. „Als wir dann das Gebäude besichtigt haben, habe ich gleich lauter Visionen bekommen, was hier alles möglich wäre“, erinnert sich sein Vater. „Dass das aber so ein Aufwand wird, habe ich nicht gesehen“, lacht er und erntet zustimmendes Nicken und einen ironischen Blick von seiner Lebensgefährtin Sandra Holzfurtner. Die Arbeiten der Firma „Holzfurtner Bau“, von Vater und Sohn, hätten die vergangenen zwei Jahre fast stillgelegen, weil sich alles auf das Familienprojekt konzentrieren musste. „Anders wäre das nicht möglich gewesen und wir hätten den Zeitplan überhaupt nicht einhalten können!“, sagt Roland. Für „Laien“ sei so etwas undenkbar. Mit 65 Prozent Eigenleistung machten die beiden einen Großteil der Arbeiten selbst: Maurerarbeiten, Verputzen, neue Böden verlegen, Trockenbau, Isolierung, und, und, und. „Ohne Subunternehmer wie Schreiner oder Schlosser geht´s freilich nicht, aber auch da haben wir immer dazu geholfen.“ Freizeit? Fehlanzeige.
Tatkräftig unterstützt wurden die beiden von den Damen der Familie, Mutter Sandra und Verena Daiminger, der Freundin von Alex. Als „unentbehrlich“ bezeichnen die Männer deren Hilfe, Organisation und Zuarbeit. Dennoch ist die Antwort auf die Frage, ein weiteres solches Projekt anzugehen, ein klares Nein.
„Ein bisschen Wellness muss schon sein!“
Doch gelohnt hat sich der enorme Einsatz allemal, wie die ganze Familie findet und stolz zu einem Rundgang durch die sechs Ferienwohnungen einlädt, jeweils mit Whirlpool und Sauna ausgestattet. Denn: „Ein bisschen Wellness muss schon sein! Trotzdem wollen wir im mittleren Bereich bleiben, einen Aufenthalt bei uns sollen sich auch Familien leisten können“, wie Roland erklärt.
Immer wieder werden Details gezeigt, die historisch anmuten. So zum Beispiel die Fenster mit Sprossen, ähnlich den früheren und doch energetisch zum neuesten Stand passend. Im gesamten Gebäude ist an verschiedenen Stellen altes Gebälk zu sehen, in einer der Wohnungen wurden die alten Mauersteine freigelegt, direkt neben einem Sims, wo früher der Fahrkartenschalter platziert war. „Wir werden noch Modelle der Züge besorgen, die auf der Strecke gefahren sind, und dort dekorieren, das ist schon cool“, sagt Alex und grinst. Einige Meter weiter befindet sich eine Klappe im Boden, „dort war mal das Stellwerk, wir werden nun die Gartenmöbel im Winter dort lagern. Draußen, wo jetzt die Terrasse ist, war mal die Entladerampe…..“, erklärt Roland Kraus. Als er die Klappe öffnet, wird er unterbrochen von einem lauten Zuggeräusch „Tuuuuutuuuut“. Lachend sucht er nach seinem Handy in der Hosentasche und schaut nach, welche Nachricht er bekommen hat.
Auch auf den Terrassen und dem Park- und Grillplatz vor dem Gebäude sind viele der ursprünglichen Steine wie Kleinsteinpflaster, Granitstufen oder Sockelsteine wiederverwendet worden. Auch das alte Bahnhofsschild mit dem Schriftzug „Fichtental“ ziert weiterhin die Außenfassade. Besonders stolz sind Vater und Sohn auf die knarzenden Treppenstufen, durch die man in die oberen Stockwerke kommt. „Die sollen so ausgetreten bleiben, seit einem Jahrhundert kommt man über den gleichen Weg nach oben!“ Auch das Treppengeländer wird bleiben, soll nur neu gestrichen werden.
Historie auf dem neuesten Stand der Technik
Trotz viel Historie ist die Ferienresidenz dennoch auf dem neuesten Stand der Technik. Geheizt wird mit einer Kombination aus Luft-Wärmepumpe und Pelletofen, eine PV-Anlage auf dem Dach ist in Planung, ebenso wie eine Poolanlage und ein weiteres Chalet, das aus Altholz im urigen Stil errichtet werden soll. Um den Verwaltungsaufwand etwas geringer zu halten, haben sich die Eigentümer für Zahlenkombinationen statt Schlüssel entschieden. Außerdem soll es die Möglichkeit geben, E-Bikes auszuleihen, nicht nur für Gäste, passend zum gleich nebenan vorbeilaufenden Radweg auf dem ehemaligen Gleisbett.
„Wir hoffen, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat, viele Gäste anreisen werden und sich hier genauso wohlfühlen wie wir“, stimmen alle vier überein. „Es ist einfach eine wunderbare Umgebung hier!“ Wie zum Beweis wird es still und das Vogelgezwitscher, Grillengezirp und Rauschen der Bäume ist das einzige, das für ein paar Sekunden rund um den Ferienbahnhof Fichtental zu hören ist.
BU´s:
1: Familienprojekt mit historischem Wert: In rund zwei Jahren harter Arbeit haben Roland Kraus (r.) und Lebensgefährtin Sandra Holzfurtner (2.v.r.) mit ihrem Sohn Alex Holzfurtner und seiner Freundin Verena Daiminger das alte Bahnhofsgebäude in Fichtental in eine Ferienresidenz umgewandelt.
2: Ein alter Zeitungsausschnitt zeigt die Wandlung des alten Bahnhofes von Nutzgebäude zum Wohnhaus für die vormaligen Eigentümer.
3: Zu den Relikten aus vergangener Zeit zählt auch ein gemauerter Torbogen, in dem allerhand verschiedene Namen mit Jahreszahlen verewigt sind, viele aus der Weltkriegszeit.
4: Auch die Klappe zum früheren Stellwerk der Bahngleise ist noch vorhanden.
5: Der alte Fahrkartenschalter wird zu Dekorationszwecken umfunktioniert. Dort sollen noch Modelle der Züge, die tatsächlich auf den Gleisen gefahren sind, aufgestellt werden.
6: Kombination aus Alt und Neu: Im ganzen Haus sind Relikte, wie altes Gebälk oder freigelegte Mauersteine, zu finden.
7: Kleinsteinpflaster, Granitstufen, Sockelsteine – alles stammt noch aus der Zeit um 1925, als das Bahnhofsgebäude errichtet wurde.
8: Die knarzenden, ausgetretenen Treppenstufen bleiben, das Geländer wird nur neu gestrichen: „Seit 100 Jahren kommt man auf dem gleichen Weg nach oben!“, wie Roland Kraus stolz erklärt.
9: Aus dem alten Bahnhofsgebäude, das von den Vorbesitzern zu einem Wohnhaus umgebaut worden ist, ist nun eine Urlaubsresidenz mit sechs Ferienwohnungen geworden.
10: Das alte Bahnhofsschild mit dem Schriftzug „Fichtental“ ziert ebenfalls wieder die Außenfassade.
Fotos: Lisa Brem
Dieser Bericht wurde von der Journalistin Lisa Brem verfasst und für unsere Homepage zur Verfügung gestellt.
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